Die Villa Waldfrieden ist ein historisches Jugendstilhaus, das seit 2015 als Gästehaus zum Kurhaus Trifels gehört und liebevoll renoviert wurde. Bei der Renovierung fiel eine in Stein gemeißelte Inschrift ins Auge: „C. Klorer Architekt 1908.“ Offenbar hat sich hier der Vater dieser Mauern voller Stolz verewigt. Wer war dieser Mann, der uns 1908 diese Inschrift hinterlassen hat?
Wer sich schon einmal mit Ahnenforschung beschäftigt hat, weiß, dass es nicht so einfach ist, Informationen über Menschen zu sammeln, die vor hundert Jahren gelebt haben. Google und Wikipedia sind zu jung, um helfen zu können. Bücher und Zeitungsarchive geben Aufschluss über Berühmtheiten und historische Persönlichkeiten, aber nicht über den Hinz und Kunz von Nebenan. Wo fängt man also an? Die Kunsthistorikerin Dr. Barbara Clemens hat sich für uns die Mühe gemacht, in akribischer Detektivarbeit so viel wie möglich über den Architekten Karl Klorer in Erfahrung zu bringen. Für diese sorgfältige Arbeit möchten wir ihr ganz herzlich danken.
Die Villa Waldfrieden, heute Teil der Waldfriedenstraße in Annweiler, ist nicht erst seit der umfassenden Renovierung 2015 etwas ganz Besonderes. Dass sie heute zu den schönsten Gebäuden der Straße gehört, sieht jeder sofort. Doch dass die schöne Villa schon dort stand, bevor es die Straße überhaupt gab, ja dass sie der Straße ihren Namen gab (und nicht umgekehrt), daran können sich nur noch wenige erinnern. Damit diese Erinnerung nicht verlorengeht, wollen wir hier ein Bild der Stadt Annweiler vor ungefähr hundert Jahren zeichnen. Wir reisen ins Jahr 1908. Also rein in die Zeitmaschine und los geht’s.
Es ist Frühling. Wir befinden uns im Städtchen Annweiler in der schönen Pfalz, die zum Königreich Bayern gehört. Das Städtchen Annweiler – damals noch viel kleiner als heute – liegt idyllisch am Fuße des Sonnenberges, auf dem die Ruine der ehemaligen Kaiserburg Trifels steht.
(Moment mal, ruft der aufmerksame Leser. Ruine? Ja, Ruine! Die Kaiserburg Trifels, die sich heute so stolz über der Stadt erhebt, war vor hundert Jahren nicht viel mehr als eine Ruine. Auf alten Postkarten kann man das gut erkennen. Erst in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Burg wieder aufgebaut.)
Ein kleines Städtchen also, in einem idyllischen grünen Tal gelegen, am Fuße der Burgruine Trifels. Erst im Jahr zuvor, 1907 nämlich, ist auf einem Hügel direkt außerhalb der Stadt das neue Schulhaus eingeweiht worden. Mit seiner schönen Lage und den imposanten Mauern aus heimischem Sandstein ist es der Stolz der Stadt und gilt als schönstes Schulgebäude der Pfalz.
Auf einem Trampelpfad außerhalb der der Stadt steht ein Mann. Er lässt seinen Blick über die Felder und Wiesen ins Tal hinab schweifen, über das prächtige neue Schulhaus und die Stadt Annweiler dahinter. In seinem Rücken erhebt sich der Sonnenberg mit der Burgruine Trifels. Er blickt über das malerische Tal, die traumhafte Natur und die ländliche Idylle. Doch er sieht mehr als das. Er sieht seine Zukunft. Hier in Annweiler wird er sich ein Leben aufbauen. Er wird die Frau heiraten, die er liebt – seine Anna. Hier in der Stadt ihres Vaters wird er mit ihr leben. Er wird ein Architekturbüro eröffnen und beruflich erfolgreich sein. Und vor allem: Genau hier, auf diesem idyllischen Fleckchen Erde, wird er ein Haus bauen – einen Prachtbau, der von seinen Fähigkeiten zeugen und einen steten Kundenstrom garantieren soll. Er sieht es genau vor sich. Ein Kurhotel wird es werden. Viele Fenster wird es haben, damit die Menschen nicht nur draußen die frische Luft und die Sonne genießen können, sondern auch drinnen. Schöne helle Gästezimmer soll es haben. Modern wird es sein, mit richtigen Badezimmern statt den aus der Mode gekommenen Nachttöpfen und Waschschüsseln. Elektrisches Licht soll es bekommen, keine flackernden Kerzen oder Petroleumlampen, wie vielerorts immer noch üblich. Es wird fantastisch werden, hochmodern in ländlicher Idylle. Die Gäste werden Schlange stehen.
Der Name des Mannes, in dessen Kopf wir uns gerade eingeklinkt haben, ist Karl Leopold Klorer – derselbe C.Klorer, der sich mit einer in Stein gemeißelten Inschrift in der Villa Waldfrieden verewigt hat.
Noch nie hatte sich Karl Leopold irgendwo richtig heimisch gefühlt. Schon als Kind lebte er nie lange ein einem Ort, denn sein Vater, der ebenfalls Karl hieß und Notar war, musste berufsbedingt oft umziehen. Schon bevor er acht Jahre alt wurde, hatte Karl Leopold drei verschiedene Häuser sein Zuhause genannt. Dann starb sein Vater, und die Mutter stand mit seinen älteren Schwestern Frieda und Lina und ihm, dem achtjährigen Sohn, ganz alleine da. Kein Wunder, dass sie schnell wieder geheiratet hatte. Mit Karl Leopolds Stiefvater Johann August Truyen zog die Familie nach Braunschweig in dessen Heimatstadt. Der Wechsel vom bürgerlichen Leben einer angesehenen Notarsfamilie zur Frau eines Schankwirts war seiner Mutter nicht leichtgefallen. Aber richtig schwer war es erst geworden, als auch sein Stiefvater nach nur zwei Jahren Ehe viel zu jung gestorben war. Nun musste die Mutter vier Kinder alleine aufziehen: Die älteren Schwestern, Karl Leopold und die kleine Elisabeth, Karl Leopolds Halbschwester, die damals gerade eineinhalb Jahre alt war. Karl Leopold seufzte, als er an Elisabeth dachte. Sie war bereits als junges Mädchen gestorben.
Sobald Karl Leopold alt genug war, zog er aus. Sein Weg führte ihn nach Leer in Ostfriesland geführt, wo er mit 22 Jahren als Handlungsgehilfe arbeitete. Auch in Goslar wohnte und arbeitete er für kurze Zeit, und dann wieder in Braunschweig. Mit 28 Jahren wohnte er in Aachen und bildete sich fort, bevor er in Dillingen eine Anstellung als Baugewerksmeister fand. Dort verbrachte er die letzten fünf Jahre. So viele Adressen hatte er im Laufe seines Lebens schon, aber jetzt, mit dreiunddreißig Jahren, will er endlich richtig Fuß fassen.
Das Buch zur Villa Waldfrieden erzählt von alten Zeiten, von Neuanfängen und vom Wachgeküsstwerden. Es liegt in den Zimmern aus, damit Ihr mal reinschmökern könnt. Gefällt es Euch und wollt Ihr es mitnehmen? Dann könnt Ihr es für 12,99 € an der Rezeption erwerben.